Cordula Simon: Pornos of Death
veröffentlicht am 20. Juli 2023 in Writers' Blog
Pornografie tötet. Diesbezüglich war sich im Jahre 1962 jemand ganz sicher. Im lang verschollen geglaubten Film Pages of Death, der mittlerweile leicht im Netz zu finden ist, geht es um ein verschwundenes Mädchen. Die Polizisten, die sich auf die Suche nach ihr machen befragen also Leute, wie das in Detektivfilmchen eben so ist und stoßen dabei auf einen Jugendlichen namens Paul, der kein Motiv hat, dessen Zimmer sie aber dennoch durchsuchen, nachdem die Leiche des Mädchens gefunden wurde. Dabei – oh Wunder – finden sie Pornohefte und Diabildchen und „This kid has been ordering through the mails too. This is strictly hardcore stuff.“
Während die Mutter ihren kleinen Pauli noch brav verteidigt gibt der jedoch alles zu und dann wird noch der Zeitschriftenhändler zurechtgewiesen und schließlich erzählt uns jemand von einem Sexualverbrechen und dass die Pornografie und „Sexmania“ dafür verantwortlich seien. Pornomagazine „produzierten“ eben Kriminelle.
Man hat die Ursache für Sexualverbrechen ausschließlich in Pornografie gesucht, wie teilweise manch einer heute noch versucht Vergewaltiger zu entschuldigen, dass es eben am durch Pornografie verzerrten Frauenbild läge.
Im Kontrast dazu erscheint nur zehn Jahre später der Film Deep Throat, von dem ich natürlich voraussetze, dass der pornoversierte Leser ihn kennt. Eine Frau kann keinen Orgasmus erleben und erfährt beim Arzt, dass ihre Klitoris im Hals sitzt. Man sollte sich dabei auch ins Gedächtnis rufen, wie kurz ein Jahrzehnt sein kann und dass uns 2006 heute auch nicht unendlich fern erscheint. Trotz all der später aufgekommenen Problematiken um Gewalt in der Pornobranche markiert der Film in der Gesellschaft doch einen Wendepunkt, da Pornografie erstmals von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, diskutiert und begutachtet und in Mainstreamkinos über die Leinwände flackernd. Ohne Deep Throat hätte es niemals eine Welle des Porn Chic gegeben.
Gerade in den zehn Jahren zwischen den beiden Filmen ging es gesamtgesellschaftlich stark um den Kampf um persönliche Freiheit. Während am Beginn des Jahrzehnts noch galt Pornografie = Kriminalität, zeigt und reflektiert Deep Throat Lustgewinn und, was den Film noch spannender macht: Lustgewinn einer Frau. Ein Dogma ist der Reflexion gewichen, das goldene Zeitalter angebrochen. Keine Ausreden mehr.
Cordula Simon, Schriftstellerin, geb. 1986 in Graz, studierte deutsche und russische Philologie in Graz und Odessa. Koordinatorin der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz und Mitglied der Literaturgruppe „plattform“. Zuletzt veröffentlicht: „Ostrov Mogila. Roman“ (Picus, 2013).