Ausnahmezustand Erde. Literatur im Anthropozän, Teil 2
Veranstaltungsdatum: Fr, 12.04.2024 // 9:00 Uhr
Kategorie: Vortrag
Reihe: Symposium: Ausnahmezustand Erde
9 Uhr
Vorträge und Diskussion
Nadine Mousa: Vom Alarm zur Revolution. Rezeption und Wirkung von Klimaliteratur im Anthropozän
T. C. Boyles Romane Blue Skies (2023) und Ein Freund der Erde (2000) handeln von unserer Erde oder dem, was (kaum mehr) davon übrig ist. Beide Texte verweisen mit satirischem Ton auf die Dringlichkeit der Klimakrise – der Unterschied: 23 Jahre liegen zwischen den Veröffentlichungen, zwischenzeitlich wurde das sogenannte Anthropozän ausgerufen. Der Vortrag stellt die Frage, wie sich das Rezeptionsgeschehen verändert, wenn der literarische Diskurs durch die ‚anthropozäne Brille‘ betrachtet wird. Anhand einer vergleichenden Analyse der unmittelbaren Rezeption der Romane wird dargestellt, wie in der Kritik ein normativer Anspruch an Literatur zum Ausdruck kommt. Während vor über 20 Jahren eine literarische ‚Alarmblinkanlage‘ auszureichen schien, kann der Anspruch auf Revolution heute nicht laut genug sein.
Melanie Loitzl: Und was jetzt? Eskapismus und Coping-Strategien in T. C. Boyles Blue Skies
T. C. Boyle ist bekannt für seine politische Satire. Dieser Form verleiht er in seinem Roman Blue Skies (2023) eine neue Gestalt, indem er die humorige Gesellschaftskritik am Thema des Anthropozäns aufhängt. Insektensterben, sintflutartiger Regen und Hitzewellen führen im Laufe der Erzählung die Agency der Erde vor Augen, die wir laut Bruno Latour gerne ignorieren. Die Protagonist:innen reagieren auf die sich häufenden Naturkatastrophen mit Versuchen, Halt in einer haltlos werdenden Welt zu finden. Dieser Vortrag untersucht Boyles satirische Aufarbeitung von Eskapismus und Coping-Strategien als Reaktion auf die Erde als Akteurin, ebenso wie die Frage, welches Verhältnis von Mensch und Natur dadurch erschaffen wird.
11 Uhr
Vorträge und Diskussion
Johanna Köck: „Aber wie sieht das mit dem Wetter in Amerika aus?“ Skalendenken in Jenny Offills Wetter
Warum über Wetter reden, wenn es um das Klima geht? In Jenny Offils Roman Wetter (2020) lassen sich zentrale Motive – persönliche Krisen, seltsame Nachbarn, das Wetter – oft nur vor der Folie größer zu denkender Phänomene verstehen – globale Krisen, Politik, das Klima. Das unmittelbare Erleben der Hauptfigur, ihre Gedankensprünge, das Erzählen in fragmentarischer Form, steht damit Phänomenen von zunächst schwer greifbaren Weiten gegenüber, womit eine Grundproblematik des Anthropozäns auf den Punkt gebracht wird: ein „Clash of Scales“. Der Vortrag befasst sich mit Frage, wie sich der Roman im skalierten Denken des Anthropozän-Diskurses verorten und wie sich ein Denken in Skalen unterschiedlichsten Ausmaßes als literarische Programmatik am Text festmachen lässt.
Eva Present: „Katastrophen kennt allein der Mensch, sofern er sie überlebt“. Über das Erzählen vom Untergang bei Max Frisch und Jenny Offill
In Max Frischs Der Mensch erscheint im Holozän (1979) kämpft ein alleinstehender Pensionist während eines Unwetters in den Schweizer Bergen gegen den unaufhaltsamen Gedächtnisverlust an. In Jenny Offills Wetter (2020) versucht eine junge Frau und Mutter vor dem Hintergrund der sich anbahnenden Klimakatastrophe in New York zu (über-)leben. Beide Erzählungen sind fragmentarisch, bruchstück- und skizzenhaft, und handeln von einer Zeit vor einer Apokalypse – sei es eine subjektive, lediglich den Einzelnen betreffende bei Frisch oder eine objektive, die ganze Welt umfassende bei Offill. Dieser Vortrag beschäftigt sich mit der Frage nach dem Zusammenhang von fragmentarischem Erzählen und der Darstellung von ((Bewusst-)Seins-)Zuständen angesichts der bevorstehenden Katastrophe.
Studentisches Symposium des Franz-Nabl-Instituts für Literaturforschung der Universität Graz
Konzept: Marietta Schmutz, David J. Wimmer
-> Eintritt frei!