Fr., 25.04.2025

9:00 - 16:00 Uhr

Fiktion Heimat

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Veranstaltungsdatum: Fr., 25.04.2025 // 9:00 - 16:00 Uhr

Kategorie: Vortrag und Gespräch

Reihe: Symposium

Identitäten, Körper, Umwelten in der österreichischen Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts.

Der Begriff Heimat, lange Zeit verpönt, hat in den letzten Jahren wieder Konjunktur in Medien und Politik. Während in den 1970er Jahren vor allem der Begriff Anti-Heimat durch die sogenannte Anti-Heimatliteratur weit verbreitet war, scheint es heutzutage in verschiedenen politischen Spektren durchaus im Trend zu liegen, wieder auf Heimat zu setzen. Die Literatur folgt dem nur bedingt. Hier ist es nach wie vor eher opportun, das Konzept Heimat kritisch zu hinterfragen und an Traditionen der Anti-Heimatliteratur anzuschließen. So hat insbesondere die österreichische Literatur in den letzten Jahren viele Texte hervorgebracht, die Aspekte wie Identitätspolitik, Queerness und Umwelten von gesellschaftlichen Zusammenhängen bis zum Thema Anthropozän auf neue Weise verhandeln. Autor:innen wie Helena Adler, Raphaela Edelbauer, Julia Jost, Vea Kaiser und Reinhard Kaiser-Mühlecker haben dem Genre neue Facetten abgewonnen und damit die Debatte um den österreichischen Exportschlager Anti-Heimatliteratur neu befeuert.

Die Tagung des Franz-Nabl-Instituts für Literaturforschung der Universität Graz möchte das Neue dieser Texte beschreiben, eingedenk der langen Tradition des Genres in der österreichischen Literatur seit 1945. Dabei soll durch die Konzepte Identitäten, Körper und Umwelten auch ein neuer und innovativer Zugang zu ihnen eröffnet werden.

 

Fiktion Heimat. Identitäten, Körper, Umwelten in der österreichischen Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts. Symposium des Franz-Nabl-Instituts für Literaturforschung der Universität Graz, 23.–25.4.2025, Literaturhaus Graz

Konzeption und Durchführung: Stefan Alker-Windbichler, Nicole Streitler-Kastberger
Organisation: Elisabeth Loibner (Literaturhaus Graz)

EINTRITT FREI!

 

9 Uhr
Vorträge und Diskussion

Veronika Schuchter:
„Der Kalbstrick bleibt im Stall“. Zur Rezeption des neuen österreichischen Anti-Heimatromans in der Literaturkritik

Anti-Heimatromane gehören seit Jahrzehnten zu den Grundpfeilern der österreichischen Literatur. In den letzten Jahren hat sich aus dieser Traditionslinie heraus eine neue, stark weiblich geprägte Antiheimatliteratur entwickelt, deren Vertreterinnen wie Raphaela Edelbauer, Angela Lehner und Helena Adler von den in- und ausländischen Feuilletons gefeiert werden. Der Vortrag analysiert die Rezeption des neuen österreichischen Antiheimatromans in der internationalen Literaturkritik.

Nicole Streitler-Kastberger:
„Die Liebe tut Brigitte weh.“ Liebeskonzepte bei Jelinek, Streeruwitz und Jost

Wie geht es der Liebe am Land? Ist sie einfacher als urbane Konzepte von Liebe und Beziehung? Oder ist sie nur scheinbar einfacher, in Wirklichkeit aber von einer „heterosexuellen Matrix“ (Judith Butler) geprägt? Der Vortrag umkreist Liebeskonzepte in Romanen von Elfriede Jelinek (Die Liebhaberinnen), Marlene Streeruwitz (Lisaʼs Liebe) und Julia Jost (Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht) und skizziert dabei so etwas wie eine ars amatoria des Anti-Heimatromans. Von der „Liebe als Passion“ (Niklas Luhmann), als Selbstkasteiung bis zur Selbstliebe und zum queeren Outing reicht dabei das Spektrum.

 

11 Uhr
Vorträge und Diskussion

Hildegard Kernmayer:
„die fortsetzung in dir“. Körper und Erinnern in Sophia Lunra Schnacks Roman feuchtes holz

Das Haus im steirischen Salzkammergut, Fluchtort bzw. Ort der Kindheit von vier Generationen, steht nicht mehr. Vergegenwärtigt wird es jedoch in erinnerten Sinnesempfindungen, mithin im ‚sinnlichen Sagen‘ einer Erzählinstanz, an deren Körper der „ort vom kindsein“ ebenso haftet wie sich in ihn die Familiengeschichte als transgenerationelle Erfahrung eingeschrieben hat. Das Haus und die Landschaft der Kindheit erweisen sich im Roman als Erinnerungs- und Imaginationsräume, auf die – lacanianisch gelesen – Einheitssehnsüchte projiziert werden.

Stefan Alker-Windbichler:
„Jemand kommt in seinen Heimatort zurück“. Heimkehrerinnen in neuen Romanen aus Österreich

„Es kann ja nicht sein, dass unsere Kinder nach Wien fahren und als Grüne zurückkommen.“ August Wögingers Bemerkung machte Schlagzeilen und zeigt Effekte von Weggehen und Zurückkommen. In neuen österreichischen Romanen sind es – anders als in der literarischen Tradition von Odysseus bis zum Kriegsheimkehrer, der Heimat- und Anti-Heimatliteratur – oft junge Frauen, die in ihr Heimatdorf zurückkehren. Doch finden sie dort Erholung und Glück oder alte Muster und den Horror der Heimat? Der Vortrag geht dieser Frage anhand von Texten von Birgit Birnbacher, Ulrike Haidacher, Reinhard Kaiser-Mühlecker, Maxi Obexer und anderen nach.

 

14 Uhr
Vorträge und Diskussion

Karin S. Wozonig:
Nasenarbeit. Hunde auf der Fährte des Untergangs bei Theodora Bauer, Maria Hofer und Maxi Obexer

In den fiktiven Provinz-Heimaten der Gegenwartsliteratur übernehmen auffallend viele Tiere wichtige Rollen. Sie sind das Gegenüber, die Begleiter, das Korrektiv der menschlichen Protagonistinnen und Protagonisten, sie sind nicht nur mehr als Tiere, wie das in der Literatur selbstverständlich ist, sie sind auf komplexe Weise Bedeutungsträger für Plots, Konflikte und Innenschauen. Und sie sind auf der Spur von Verfall und Untergang. Im Vortrag möchte ich mich den Hunden in drei Romanen widmen und analysieren, wie sie im Text Krisenzeichen lesen und selbst zu Krisenzeichen werden.

Mario Huber:
Zwei echte Österreicherinnen. Heimat, Zugehörigkeit und Selbstironie bei Malarina und Toxische Pommes

Das österreichische Kabarett ist ein Spiegel der Nation und ihrer aufgearbeiteten Abgründe. Bislang waren die Ausführenden hinter der kritischen Heimatbegutachtung großteils autochthon und männlich. In den letzten Jahren lässt sich beobachten, dass immer mehr Kabarettist*innen mit Migrationserfahrungen aktiv werden und damit das Österreichbild auf den Kabarettbühnen um Einblicke in bisher kaum beachtete Milieus und Lebenswege erweitert werden. Mit Malarina und Toxische Pommes sollen zwei vielfach prämierte Kabarettistinnen, die aufgrund der Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren nach Österreich gekommen sind, im Mittelpunkt dieses Vortrags stehen.

 

EINTRITT FREI!

 

Veronika Schuchter
Schuchter © Maria Piok
Sie ist Literaturwissenschaftlerin am Institut für Germanistik der Universität Innsbruck, Leiterin des Innsbrucker Zeitungsarchivs zur deutsch- und fremdsprachigen Literatur und freie Literaturkritikerin.Mehr erfahren
Nicole Streitler-Kastberger
Streitler-Kastberger © privat
Geboren 1972 in Dornbirn/Österreich. Literaturwissenschaftlerin, Literaturkritikerin und Autorin. Studium der Germanistik und Romanistik an der Universität Wien. Dissertation über Musil als Kritiker (Peter Lang 2006). Universitätslektorin in Nizza/Frankreich und Bari/Italien. Mitarbeit an der digitalen Gesamtedition der Werke Robert Musils (KARMA). War von 2005 bis 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Wiener Ausgabe der Werke und Briefe Ödön von Horváths. Lehrbeauftragte an der Universität Graz. Lebt in Graz und Wien.Mehr erfahren
Hildegard Kernmayer
Kernmayer © Universität Graz
Geboren 1962. Assoziierte Professorin am Zentrum für Kulturwissenschaften und Institut für Germanistik der Universität Graz. Bücher und Aufsätze u a. zu Fragen der Ästhetik und Poetik, der Jüdischen Studien, Geschlechterforschung und Kulturwissenschaft. 2008–2010 Marie-Curie-Fellow mit dem Forschungsprojekt Literatur und Wahrnehmung. Zur ästhetischen Phänomenologie der Moderne.Mehr erfahren
Stefan Alker-Windbichler
Alker-Windbichler © Nicole Streitler-Kastberger
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Franz-Nabl-Institut und Lehrbeauftragter am Institut für Germanistik der Universität Graz. Studium der Germanistik sowie Library and Information Studies an der Universität Wien, Promotion 2007 mit einer Arbeit über Gerhard Fritsch. Forschungsgebiete: österreichische Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts, Theorie und Praxis von Bibliothek und Archiv sowie akademische Publikations- und Rezeptionspraktiken.Mehr erfahren
Karin S. Wozonig
Wozonig © Martina Lišková
Geboren 1970 in Graz, Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft, Anglistik/Amerikanistik und Germanistik in Wien und Los Angeles, Lehrbeauftragte am Institut für Germanistik der Universität Wien, forscht und publiziert zur deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts und zu Literaturtheorien, schreibt Literaturkritiken und über Ratten. Sie lebt in Wien. Kürzlich erschienen: "Betty Paoli - Dichterin und Journalistin. Eine Biographie" (Residenz 2024), "Ratten. Ein Portrait" (Berlin 2024).Mehr erfahren
Mario Huber
Huber © Foto Gasser
Von 2014 bis 2022 war er Mitarbeiter am Österreichischen Kabarett Archiv, von 2018 bis 2023 am Zentrum für Kulturwissenschaften (Universität Graz), aktuell am Archiv der Zeitgenossen (Universität Krems).Mehr erfahren
Fr., 25.04.2025
Datum
9:00 Uhr
Uhrzeit

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Do., 24.04.2025

9:00 - 19:00 Uhr

Vortrag und Gespräch // Symposium

Fiktion Heimat

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